Stahl und Beton bei Nacht - Technik und Taktik in der Hood

Und so ging alles seinen Gang. Endlich Freitag, Feierabend, raus aus der Arbeit. Schnell heim, kurzes Training, frisch machen, bevor es ans Wasser geht und noch etwas zum Essen einpacken. Treffpunkt: an den Glasfassaden der Industrie, um 18 Uhr. Ein bewachter Firmenparkplatz zum Karpfenangeln wartete ab dann nur auf uns…

Wir waren mega heiß auf das was da kommen mag. Mittlerweile lagen 10 Tage Futtereintrag hinter uns. Eigentlich nicht viel Zeit, aber für unsere erste Testsession sollte das reichen, um ein Ergebnis zu erzielen. Vom Auto bis zum Spot gerade mal 200 Meter Laufweg, Luxus am Kanal! Kannten wir so auch noch nicht. Die letzten Plätze waren immer mit bedeutend mehr Strapazen verbunden. Wellness in der realness!

Erster Lauf nach einer Stunde angeln!

Die Ruten waren das erste, was klar gemacht wurde – logo. Regen sollte keiner kommen also wurde es eh eine lockere Sache. Eine lauwarme Sommernacht unter dem Sternenhimmel in unserer kleinen, asphaltierten, gemütlichen Ecke – besser kann eine Kanalnacht kaum sein. So dachten wir uns noch und spaßten herum, mit krummer Rute in meinen Händen. Wohl ein guter. Was zur Oberfläche kam, war ein Fisch mit knapp 12kg. Ein saugeiler Start an dem neuen Kanalabschnitt, fast dem längsten der Region mit über 20 km Länge. Der Kescher umfasste den Spiegler und alles ging seinen routinierten Gang. Ghettofaust! Schnell ging ein neues Rig mit einer Handvoll Rambazambas wieder auf Tauchstation. Fast zeitgleich läuft auch noch eine zweite Rute los. Diesmal bei Chris. Dadurch das wir parallel zum Ufer bzw. der Spundwand fischen sind doch ein paar Meter zwischen unseren Spots. Doppelläufe sind so dann eher eine Seltenheit, weil die Kanalfische doch sehr stark umherziehen und so quasi immer nur von einer Seite "angreifen". Ausnahmen bestätigen die Regel. Diesmal ein kleiner: Wir nennen die 4-5kg Fische liebevoll "Flitzer". Aber immerhin, die Fische sind auf dem Abschnitt und viel wichtiger, sie sind auf dem Futterplatz! Dieses Gefühl der Bestätigung macht sich breit. Ein Gefühl, das dir, gerade was das Angeln auf einem Futterplatz angeht, Sicherheit gibt. 

Fuck!

Aber, ab jetzt sollte alles anders kommen als wir es uns hätten vorstellen können. Nach den beiden Fischen ist erstmal Funkstille. Vielleicht wurde sie durch die Schnüre aufgeschreckt oder hatten gar Misstrauen geschöpft? Was einem da alles durch den Kopf geht… So langsam bricht die Dunkelheit ein. Immer wieder spannend, wenn sich der Tag verabschiedet und man völlig euphorisch, fast schon erwartungsvoll in die Nacht startet. Frische Rigs liegen schon bereit, um nicht mitten in der Nacht noch groß rumtüfteln zu müssen. Dann, wir liegen gerade, pfeift wieder eine Rute bei Chris ab. Er ist sehr schnell an der Rute, das erste was ich hörte ist „Yes, ist ein dicker ". Dann keine 5 Sekunden später ein lautes "!!!Fuck!!!". Der Fisch ist ab. Schlimmer noch, abgerissen. Das Ende der 0,65mm Schlagschnur: einfach durchgeschnitten. Kann leider passieren, ist aber mehr als ärgerlich!

Wieder ein Lauf, es ist 01.30 Uhr (beste Phase zu dieser Jahreszeit), diesmal an meiner rechten Rute. Es scheint als kommen die Fische von allen Seiten auf unseren Platz. Ich stürme an die Rute und spüre eine unbändige Kraft. Die Schnur fegt von der Rolle und ich renne dem Fisch entgegen. Chris hellwach rennt mir mit dem Kescher durch die Dunkelheit hinterher. 

Alles was dann noch passiert ist ein weiterer Abriss an der dicken Schlagschnur. Ich hasse Situationen wie diese. Ich hasse sie so sehr, das ich brülle. Mitten im Schwarz der Nacht lasse ich den Frust raus. Die Autobahn donnert munter weiter und die Tauben unter der Brücke sind alle aufgescheucht, dazu schlagen die Hunde auf dem Schrottplatz auf der gegenüberliegenden Seite an und bellen wie verrückt. Chaos! Ich kriege mich nicht mehr ein... Dieses Drama durchleben wir in dieser Nacht noch weitere Male!!!

Was tun?

Im Morgengrauen sitzen wir beim Kaffee, die Stimmung ist auf dem absoluten Tiefpunkt. Keinen Bock mehr, ich hasse Kanalangeln, warum fischen wir eigentlich dieses scheiß Fahrwasser, warum geht das alle paar Tage aufs neue, warum sitzen wir nicht gemütlich am Baggersee? 

Fragen die man sich in so einer Situation gerne mal stellt. Eine Veränderung muss her. Wir müssen uns dem Spot und seinen Gegebenheiten anpassen. Koste es was es wolle. Da ist Fisch und wir machen einfach grobe Fehler. Bei den Drills, bzw bei der Aufnahme der Ruten während eines Bisses spürte man, wie die Schnur irgendwo hängt. Teilweise zog der Fisch nach rechts die Schnur zeigte aber nach links bis sie frei gerissen wurde. Diese Hänger bzw. Hindernisse können hier in der urbanen Umgebung ja alles sein. Vom Auto bis zum Fahrrad, vom Einkaufswagen bis zum Teppich und natürlich von der Muschelbank bis zum Geröllfeld. Erster Schritt: vom Geliebten Inlineblei zum Leadclip, um das Blei auch so schnell es geht zu verlieren, damit der Fisch frei gedrillt werden kann. 

Zweiter Schritt

Die Schnur muss weg vom Gewässergrund! Dann angelt doch einfach vertikal?! Das Problem hierbei sind aber die Gegebenheiten. Dadurch das wir auf der freien Kanalstrecke fischen und auf dem Weg ein gewisser Platz vorhanden sein muss, damit Rettungsfahrzeuge, Polizei, Kontrolleure oder Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes immer freie Fahrt haben, ist das so nicht möglich. Deswegen bauen wir unsere Liegen in einer kleinen Nische auf. Die Größe dieser reichte gerade aus für zwei Liegen und Brollys. Wir setzen deswegen auf Umlenker. Diese bauen wir aus Dachlatten und zurecht gebogenen Alukleiderbügeln zusammen. Dazu noch ein paar Meter gutes altes Panzertape und fertig. Die Kleiderbügel werden erst aufgebogen und dann zu einer Art Rutenhalter – diesmal aber nur zur Führung der Schnur – zurechtgebogen. Alu deswegen, da sich die Schnur bei einem Lauf nicht hineinfressen kann. Zum anderen kann ein ablaufender Fisch bei zu viel Druck mit der Schnur den Umlenker einfach aufbiegen. Es muss einfach funktionieren.. Dazu bohren wir noch am anderen Ende der Dachlatten jeweils zwei Löcher im Abstand von gut 20cm, um diese im Boden zu fixieren und gegen ein Verdrehen zu sichern. 

Die Spundwand verzeiht keine Fehler

Alles muss einfach bombensicher aufgestellt sein. Die folgende Woche verfliegt. Wir halten den Platz weiter unter Futter. Es muss einfach funktionieren, sagen wir uns beinahe täglich. Noch so eine Schmach wollen wir definitiv nicht einfahren. Und so ist es wieder eine Nacht am nächsten Wochenende. Wir müssen lachen als wir die Dachlatten aus den Autos auf Trolleys laden. Was sich die Fußgänger, Radfahrer etc denken als sie unsere Konstruktion sehen, will ich gar nicht wissen… Es sieht völlig schräg aus, aber fühlt sich richtig an. Die Montage können wir einfach an der Spundwand hinabkurbeln und punktuell einige Rambazamba boosted drüber füttern, dann die Schnur in die Umlenker legen und zurück zum Rodpod laufen. Die Schnur führt in einem schrägen Winkel vom letzten Umlenker runter zum Blei. Die Spots sind 30m von den Rod Pods entfernt und so liegen zwischen den Umlenkern ca. 20m. Eine Rute, quasi die äußere, ist die Spundwand nahe. Die innere Rute wird an dem Rand der Fahrrinne abgelegt. Das ist ein Pendelwurf von ca. 8-10m. Diese Schnur zeigte dann vom letzten Umlenker in einem fast 90* Winkel nach unten. 

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert

Der erste Biss kommt wieder nach zwei Stunden. Nur ein "kleiner flitzer", aber es funktioniert! Bei einem Lauf: Sofort Rute aufnehmen nach oben strecken und dem Fisch entgegen rennen. Ja, rennen! Es ist kompromissloses Angeln. Das Keschern übernimmt eh immer der andere. Um es kurz zu machen, wir haben in dieser Nacht 8 Läufe und können alle 8 Fische bis 17kg landen! Geiles Gefühl, wenn ein Plan funktioniert! Zudem ersparen uns die Umlenker noch ein mögliches Verziehen der Montagen, da ja bedeutend weniger Wasserdruck beim Schleusen oder durch Schifffahrt auf den Schnüren lastet. Der Mut zur Veränderung und die Hartnäckigkeit haben sich bezahlt gemacht und diese Futterplatzaktion ist sicherlich für Chris und mich in diesem Jahr eines unserer Highlights.

Cheers und tight Lines,

Sascha

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